4. September 2013 | Von Stefan Döring | Kategorie: Reviews
So wirklich passen mögen Satyricon mit ihrer mittlerweile eindeutig auf Kommerz ausgerichteten Grundhaltung ja nicht mehr auf unsere Seiten. Dennoch sei unseren getreuen Lesern das neue Album der Norweger vorgestellt, allein schon, um dem Diskussionsbedarf, den Satyr und Frost damit auslösen werden, ein bisschen Raum zu geben. Denn, was auf „Satyricon“ stattfindet, wird aktuell sehr kontrovers im Netz kommentiert.
Allein schon die Tatsache, dass man das Album auf dem zweifelhaften Onlineangebot der Bild-Zeitung im Stream verbreitet, versehen mit einem Interview zwischen Lächerlichkeit und inhaltlichen Fehlern, dürfte Einigen vor den Kopf stoßen. Gerade die Bildzeitung, die hinter jeder Musikerleiche gleich einen Satansmord entdeckt haben will. Ich vermute einfach einmal, dass Satyr das alles so ziemlich wurst sein dürfte, die Popularität wird steigen, die Charteinstiege sind sicher und mit großer Wahrscheinlichkeit auch wesentlich höher als bei „The Age Of Nero„. Die Zahl der Vorbestellungen dürfte nicht gerade gering sein und die Spannung, die man bis zum Schluss aufrecht erhält, was denn nun mit der Musik hinter der selbstbetitelten Scheibe eigentlich ist, steigerte sich ins schier unermessliche. Versaut das Duo sich seinen Ruf jetzt komplett (die Frage aus dem Untergrund), oder versinken sie in Belanglosigkeit (die Frage aus dem Fanlager)? Oder stellt „Satyricon“ tatsächlich einen Neuanfang dar, denn so ist es doch meist um Alben bestellt, die auf einen eigenen Titel verzichten. Die Antwort liegt für jeden wohl irgendwo zwischen allen Stühlen, denn „Satyricon“ hat so viele Gesichter, dass man sich rein gar nicht entscheiden kann, wie man das Album denn nun finden soll.
Das fängt schon bei der seltsamen Produktion an. Organisch, aber dumpf langweilt sich Frost stellenweise fast zu Tode. Hin und wieder blitzen seine Fertigkeiten tatsächlich auf, viel zu wenig für einen Ausnahmedrummer wie ihn. Aber das kennen wir ja schon von den vorherigen Alben. Da steckt der Teufel auch in den Songs, die stellenweise so ruhig, beinahe doomig, sind, dass man den Ohren kaum trauen mag. Klar, sowas wie ‚Black Lava‚ oder ‚Den Siste‚ war auch keine Ausgeburt an Hochgeschwindigkeits-Black Metal, dennoch sind die reduzierten Stellen, an denen kein Verzerrer sich den Gitarren widmet, gehäuft. ‚Tro Og Kraft‚ lullt den Hörer damit beinahe ein. Aber, und das ist ein großes ABER, der Song funktioniert tadellos, sobald man sich von dem Glauben gelöst hat, dass Satyricon noch einmal ein „Nemesis Divina“ oder ein „Volcano“ aufnehmen würden. Denn auch da liegt die Antwort eher dazwischen und darüber hinaus. Von der Melodieführung her kann man sich durchaus etwas an „The Shadowthrone“ erinnert fühlen, jedoch nicht in Schwarzmetallischer Sicht, denn tatsächlich Black Metal ist auf „Satyricon“ gar nichts. Das Instrumental ‚Natt‚ scheint noch von der Storm-Phase Satyrs inspiriert zu sein, ‚Nekrohaven‚, welches für mich eigentlich das kontroverseste Stück des Albums darstellt, kommt mit fröhlichen Kvelertak-Melodien daher, was mich zu tiefst befremdet. Anders als bei den Kollegen von Kvelertak fehlt ‚Nekrohaven‚ jedoch die Energie und die Spielfreude, welche die Durchstarter der letzten Jahre auszeichnet. Scheinbar langweilt sich Frost dann doch zu sehr, anspruchsvoll ist das Stück nämlich nicht.
Den meisten wird ‚Phoenix‚ sauer aufstoßen, vor allem dem Untergrund gibt man damit genug Feuer um den Ausverkauf und die Kommerzialisierungsschreie perfekt zu machen. Madrugada-Sänger Sivert Høyem gibt sich jedoch größte Mühe um dieses fast käsige Stück zu retten. Der Song ist so gefällig und nett gespielt, dass einen Satyrs Worte, dass er Pop-Musik hasst, wie blanken Hohn vorkommen lassen. Trotz allem ist aber „Phoenix“ ein echter Höhepunkt, denn aus dem Kopf mag der Song dann nicht mehr gehen. Die Single ist jedenfalls schon einmal perfekt, man kann sich das Video schon bildlich vorstellen (irgendwas Dunkles, Band mit Sievert an einem 50er Mikro, dazu irgendeine obskure Horrorstory mit ansehnlicher Blondine, und nein, das ist keine Wunschvorstellung!), sozusagen eine Win-Win-Situation für Madrugada und Satyricon.
Das große Problem, was „Satyricon“ besitzt, sind die Stücke, die tatsächlich belanglos und langweilig sind. ‚Ageless Northern Spirit‚ zum Beispiel, da passiert nichts wirklich relevantes, Riffs aus dem Recyler, das ewig gleiche Marschgebrüll von Satyr, da geht ‚The Infinity Of Time And Space‚ wesentlich besser ins Ohr, komischerweise hauen die Beiden nach jeder gelungenen Idee mindestens zwei weniger gelungene raus und so scheint gerade dieses Stück repräsentativ für das Album zu sein. Am Schluss ist es dann so, dass „Satyricon“ niemanden weh tun wird, manchen sogar richtig gefallen könnte, dennoch werde ich den Eindruck nicht los, dass der eigenen Anspruch viel zu hoch gelegt wurde und man sich ein bisschen zu sehr verhoben hat. Durchkonstruiert bis zum Schluss.
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Label: Roadrunner Records
Format: Alles mögliche, vor allem mindestens acht (!) LP-Versionen
Veröffentlichungstermin: 09.09.13
Trackliste:
- Voice Of Shadows
- Tro Og Kraft
- Our World, It Rumbles Tonight
- Nocturnal Flare
- Phoenix
- Walker Upon The Wind
- Nekrohaven
- Ageless Northern Spirit
- The Infinity Of Time And Space
- Natt
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