18. Oktober 2012 | Von Stefan Döring | Kategorie: Interviews
Sabbath Assembly kehren mit „Ye Are Gods“ in neuer Besetzung energischer denn je zurück um die Lehren der Process Church of the Final Judgement zu verbreiten. Die Geschichte hinter der Kirche, deren Philosophie und die Verknüpfung des Ganzen mit Sabbath Assembly bot genügend Stoff um Dave Nuss, Schlagzeuger und Kopf der Band, für ein Interview zu kontaktieren. Dabei boten sich interessante Einsichten über die Process Church und der Wunsch Christen und Satanisten auf Konzerten in Verbindung zu bringen.
Die Standartfragen quittiert Dave Nuss zunächst noch mit Standartantworten, so gibt er preis, dass „Sabbath Assembly formiert wurde um die Hymnen und die Botschaft der Process Church of the Final Judgement mit der Welt zu teilen. Unsere Hoffnung besteht darin, dass die Botschaft der Musik immer noch wahrnehmbar ist, egal ob einem die Geschichte der Church bekannt ist oder nicht.“ Da stellt sich die Frage, ob die Church auch in Europa Einfluss haben könnte, immerhin haben sich im Gegensatz zu den 60ern in den USA bei uns kaum religiöse Auswüchse aus der Hippiebewegung und ihrer Musik wirklich manifestieren können. „Das ist eine interessante Frage, über die ich mir bisher noch keine Gedanken gemacht habe. Es ist wahr, dass es so scheint, als ob sich die meisten neuen religiösen Bewegungen der 60er und 70er, zumindest die, die ich kenne, in den USA oder in Groß-Britannien gegründet haben. Und ich liebe deutsche Rockmusik aus der Zeit, aber es ist auch wahr, dass keine Band, von der ich weiß, mit Jesus und Satan und dem Aspekt, Religion neu zu definieren, zu tun hat. Obwohl meine Großeltern von Deutschland nach Texas gezogen sind – das sind also meine Wurzeln – glaube ich, ein Amerikaner der dritten Generation hat nicht die beste Antwort dafür! Da würde mich DEINE Sicht der Dinge dazu interessieren.“ Das würde wohl den Rahmen des Interviews sprengen, weswegen Sabbath Assembly in dem Zusammenhang wieder selbst in der Vordergrund rücken, da es ja bestimmt schwierig ist, sich in einem Land zu präsentieren, was mit der Process Chuch eigentlich nichts zu tun hat. Es gibt ja noch nicht einmal einen deutschen Eintrag in der Wikipedia dazu. „Unser erstes Anliegen besteht viel mehr in der Botschaft der Church, als in der Church selbst. Es gibt sie auf jeden Fall nicht mehr und wir haben auch nicht vor sie neu zu gründen. Ich glaube, dass alle Menschen das Konzept, welches wir teilen, nachvollziehen können, gerade hier in Deutschland haben wir von unseren Fans auf Tour einiges an Neugier verspürt. Schließlich ist das die Heimat von Martin Luther, dem größten Reformator der Kirchengeschichte.“
Es wäre also gar nicht interessant, wenn jemand die Process Church vielleicht sogar aufgrund der Musik von Sabbath Assembly neu gründen würde? „Es ist schwer mir vorzustellen wie eine neue Church heutzutage aussehen würde. Das Zeitalter kollektiver und kommunaler Zusammenkünfte scheint ja vorbei, außer eben als einmalige Treffen in Rockshows, soweit ich das sagen kann, haha. Wir haben die Ideenwelt in unseren Fingerspitzen, die ganze Zeit unter unserer Kontrolle, es gibt also keine Grund sich noch länger einer speziellen Ideologie oder Gemeinschaft zu unterwerfen, besonders wenn man ein geistig fortgeschrittener Mensch ist, der am ehesten mit den Ideen der Church konform gehen wird. Wir in der Band preisen die individuelle menschliche Freiheit viel zu sehr um jemandem einen aufgezwungenen, religiösen Trip zu wünschen. Ich würde sagen, dass unsere Hoffnung darin liegt, dass die Ideen der Band die Menschen inspiriert ihren eigenen Weg von Freiheit und Erfüllung zu gehen und es ist nicht notwendig einer Organisation beizutreten um dies zu erfahren.“
Wenn man bedenkt, dass die Katholische Kirche in ihren Anfängen schon recht früh begonnen hat, alles gnostische auszumerzen, stellt sich auch die Frage, worin die Gefahr für sie besteht, ein realistischeres Gottesbild von Gut und Böse in einer Person zuzulassen? Eine philosophische Diskussion, würde doch so vieles erklären, auch, warum Gott das Schlechte auf der Welt zulässt? „Eine brillante Frage, über die ich mir genauso Gedanken mache wie du. Wir sind uns bewusst, dass unsere Worte gerade in Amerika die Menschen, für die die Preisung Luzifers und Satans absolut abscheulich ist, sehr provoziert. Die Art und Weise darüber zu sprechen, wie du sie vorschlägst, was auf größere Emotionalität und Philosophie beruht, scheint potentiell fruchtbarer zu sein. Man muss also zwei Punkte machen. Zu aller erst bleiben wir, der Tradition der Kirche willen, bei deren Wortlaut; und zweitens singen wir einfach über Satan, weil wir in unserem Herzen sehr rebellisch sind und einige in der Band haben eine starke christliche Gehirnwäsche erhalten, was das Anpreisen Satans schon therapeutisch für uns macht. Ich könnte mir eine Neukonstruktion der Church Ideologie bis zum Ende ausmalen, weil, um es einfach auszudrücken, für die Processians Satan für Leidenschaft, Lucifer für Weisheit und Jehovah für das Gesetzt steht. Und Christus repräsentiert die Einigkeit dieser Konzepte in Liebe. Vielleicht würden wir, wenn wir üblichere Begriffe als diese verwenden und mehr philosophisch als religiös werden würden, könnten wir damit ein anderes Publikum finden. Wir jedoch lieben die Personifizierung dieser Konzepte in mythologische Figuren, es ist einfach so viel dramatischer und macht mehr Spaß.“
Da sieht man es, die Band nimmt also nicht alles so bierernst wie man hätte denken können. Vielleicht auch einer der Gründe, warum auch viele Black Metal-Freunde die Band als zumindest zum Teil christlich angehaucht für Voll nehmen. Wäre doch eine schöne Vorstellung, wenn die Band es tatsächlich schaffen würde die „christliche“ und „satanische“ Welt auf der Bühne mit anderen Bands verbinden zu können? „Das ist ja auch das Ziel des Projektes. Wir haben noch nie Probleme innerhalb der Metal-Szene gehabt, weil Metalheads, wie ich persönlich glaube, ständig an ihrer eigenen Furcht und an ihrer Beziehung mit der dunklen Seite arbeiten. Christus würde mit ihnen nicht sprechen, wenn man ihn als überheiliges, perfektes Wesen betrachtet, weil das die Realität der Ausgewogenheit negieren würde. Aber, wenn man Christus als archetypische Manifestation des Konzeptes aus Balance und Einigkeit sehen würde, würde das die Menschen eher verbinden, eben weil theoretisch dieser ganze Sünde und Erlösungs-Kram einfach nicht mehr da wäre. Unsere „Sünde“ oder Dunkle Seite ist absolut notwendig für unser Seelenheil. Im Gegensatz zu den Metallern, rennen Christen ständig vor Furcht und Tod davon, angeblich um das Böse erkennen und überwinden zu können, oder wie sie eben denken, dass das funktioniert, weil wirklich klappen kann das natürlich nicht. Wenn man beide Welten, die der Metaller und der Christen miteinander verbinden könnte, wäre das Philosophisch als Chance zu betrachten! Nichtsdestotrotz ist das absolut ein Teil der Intention der Band. Was wäre das für eine Vorstellung, wenn wir auf einem christlichen Musikfestival in Texas spielen könnten und im Publikum Menschen mit Slayer-Shirts wären und manche eben mit Shirts christlicher Bands und alle im Dialog wären. Das wäre der Himmel auf Erden für mich, nicht nur Musik zu spielen, sondern auch über den Kontext zu sprechen!“ Das wäre in der Tat eine interessante Vorstellung, vielleicht sehr utopisch, da sich die einzelnen Gruppen zu sehr bei Vorurteilen aufhalten würden, aber als Konzept für die Zukunft könnte man daran durchaus denken.
Da wir nun das Konzeptuelle geklärt haben, stellt sich die Frage wie Sabbath Assembly denn weiter machen werden, immerhin gibt es von der Church gerade einmal 62 überlieferte Stücke, die vertont werden könnten. Was passiert denn, wenn die Band alle durch hat? „Wir haben langsam das Originalmaterial hier und da aufgenommen, musikalisch gesprochen, und das wird so weiter gehen. Im Moment fühle ich, dass es wichtig ist, so „orthodox“ wie möglich zu bleiben, bei ihren Texten zu bleiben, da ein anderer Weg den Hörer auf die falsche Spur schicken würde und der Tradition der Church respektlos gegenüber wäre. Der Song „In The Time Of Abaddon II“ ist zum Beispiel eine Komposition der Band, aber wir glauben, dass es dem Spirit der Church absolut entspricht. Der Anfangstext aus der Genesis stammt dabei direkt aus der Church Liturgie. Es gab auch andere Songs, die mehr Originalmaterial besaßen, die wir dann nicht auf das Album nahmen, da deren Geist sich nicht mit der Ästhetik der Church vereinbaren ließ. Für das nächste Album könnt ihr also mehr Process Hymnen erwarten!“ Das wollen wir doch hoffen, denn die Atmosphäre der Songs ist wirklich einzigartig. Wo ist eigentlich Jex Thoth hin, die auf dem Debüt noch gesungen hat und nun von Jamie Myers (Wolves In The Throne Room, Hammers Of Misfortune) ersetzt wurde? „Ja, Jex war eine wundervolle Sängerin für Sabbath Assembly und sie und ich schätzen das „Restored To One“-Album wirklich sehr. Sie hat sich aber nach unserer letzten Tour dazu entschlossen sich mehr auf ihr Solo-Projekt zu konzentrieren. Jamie war dann die natürlich Wahl um das zweite Album einzusingen, nicht nur wegen ihrer Erfahrung in anderen Bands, sondern, weil sie sich in unserem ersten Gespräch als perfekte Partnerin für den kreativen Prozess herausstellte. Ich tendiere dazu mehr auf der „Christus“-Seite zu stehen und Jamie bringt die Dunkelheit mit sich, die Chemie zwischen uns stimmte also.“
Ausgezeichnet! Was denkt Dave denn über die aktuelle Retro-Welle, immerhin wird Sabbath Assembly da ja auch gerne dazugezählt? „Es ist jedenfalls interessant wie schnell eine Band Retro wird, die einfach echte Instrumente verwendet, haha.“ Und modernere Einflüsse, würde das passen? „Ich bin Schlagzeuger, es gibt also keine großen Chancen, dass wir Elektronik oder gar Dance-Beats auf einem unserer Alben verwenden würden. Zum einen ist das unser persönlicher Geschmack, zum anderen passt das menschliche Element an den Instrumenten viel besser zu spiritueller Musik. Es geht etwas verloren, wenn der Musiker sich von seinen Instrumenten entfernt – die Verletzlichkeit vielleicht und gerade in dieser Verletzlichkeit liegt doch der Geist der Musik. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob wir bereits was verloren haben, indem wir Verstärker verwenden? Das glaube ich zwar nicht, aber mir gefällt es sehr gut, dass so vieles auf dem neuen Album akustisch ist, da man die Feinheiten viel deutlicher hören kann. Keine Sorge, das heißt nicht, dass es auf dem nächsten Album keine elektrischen Gitarren mehr geben wird.“
Klingt jedenfalls schon einmal vielversprechend. Mit dem Gefühl hinter der Musik, ist es interessant zu wissen, wie sich dann eine Live-Show bei Sabbath Assembly realisiert. Schlagen da auch zwei Herzen in Daves Brust? „Ja, wir arbeiten für die nächsten Shows an Ideen wie man rituelle Texte einfügen kann, ohne zu umständlich zu werden, oder einfach zu Church-mäßig. Wir sind auf der einen Seite immer noch eine Rockband und wir fühlen uns gut, wenn wir die Songs, einfach so wie sie sind, runterspielen. Auf der anderen Seite müssen wir notwendigerweise uns Gedanken machen, wie wir die Church angemessen repräsentieren, wie sie es wollen würde. Das ganze Projekt ist nicht ganz einfach, weil die Hymnen und Texte nie für ein großes Publikum gedacht waren – sie waren logischerweise für die liturgische Vorgehensweise der Church konzipiert – wir müssen als Band also versuchen, wie wir das ganze am besten durchbringen. Wir sind jedenfalls sehr froh, dass wir für Deutschland eine neue Booking-Agentur haben und für Frühling 2013 ein paar Shows planen können, hoffentlich sieht man sich da! Wir arbeiten übrigens gleichzeitig an einem Kurzfilm über die Ideen der Church mit unseren Stücken als Soundtrack und hoffen, dass wir diesen bis zur Tour fertig haben werden!“ Na, dann sind wir mal gespannt, einen Auftritt der Band darf man keinesfalls verpassen! „Ye Are Gods“ ist jedenfalls eines der absoluten Highlights im Jahre 2012, welches philosophisch offene Menschen und Retrofans absolut antesten sollten!
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