27. Juli 2012 | Von Tobias G. | Kategorie: Reviews
Wer heute den Schwarzmetall lebt muss genau zwei Voraussetzungen erfüllen: Zum einen den (Black) Metal und seine „Szene“ von Grund auf verachten und ablehnen, und zum anderen bei möglichst jeder sich bietenden Gelegenheit im Internet sein fürchterlich „großes“ Ego/ Skrotum präsentieren. Vor allem ist dabei wichtig, dass man seinen Abschied aus der so verhassten, stereotypen Welt der Onlinehelden richtig in Szene setzt – am besten mit einem weiteren Album, das natürlich nur dazu dient all den Unwürdigen ein letztes Mal den Mittelfinger zu präsentieren. Wo es bei Nargaroth Fans sicher eine Menge lange Gesichter durch seinen mittlerweile hinfälligen Deutschland Boykott gab, ist allerdings fraglich ob ein Projekt wie Obskene Sonare wirklich auf diesem Weg Aufsehen auf sich ziehen kann. Dabei wäre „Der letzte weiße Hirsch“ ohne den bitteren Beigeschmack, den Herr Akanoth verbreitet, eine wirkliche Perle des Underground.
Und der ist immerhin gar nicht mal so einfach zu ignorieren. Immerhin brüstet sich der Österreicher gerne selbst damit welche Wirkung sein als Single veröffentlichtes Absurd Cover bei der Antifa erziehlt hat oder wo im Artwork seiner „Todnachten“ EP überall Anspielungen auf das dritte Reich versteckt sind. In dem Fall schon mal zeigt der Mann sich wesentlich ungenierter als sein großes Vorbild Kanwulf/ Ash den er offenbar zu kopieren versucht. „Der letzte weiße Hirsch“ nun erscheint über Talheim Records, ein Label das sich in letzter Zeit verstärkt gegen braunes Gedankengut ausspricht und daher wohl kaum ein Album veröffentlichen würde, das seinem Ruf wesentlich schaden könnte. Daher ist es auch für uns vollkommen vetretbar ein paar Zeilen zum einzigen Vollalbums Obskene Sonares zu veröffentlichen. Dies hat es zumindest in sich und besticht neben dem gelungenen Artwork und einem sehr informativen Booklet inklusive aller Texte mit Erläuterung auch auf musikalischer Ebene.
Die Intention des Albums als finales Werk Akanoths gesehen zu werden, wird dabei bereits in dem einleitenden „Als der Anblick des Mondes meine Erinnerungen weckte“ deutlich. Das Intro bildet einen kurzen Zusammenschnitt der gar nicht mal so langen Bandgeschichte, bevor mit „Unser Reich komme, unser Wille geschehe“ der erste „wirkliche“ Titel aus den Boxen scheppert. Zwar klingt der Anfang noch sehr melodisch, dennoch ist das Attribut „scheppern“ angesichts der organischen Produktion denke ich ganz gut gewählt. Denn dass man eine Old-School Schiene fahren möchte ist bei dem dreckigen Sound mehr als deutlich. Neben atmosphärischen Riffs finden sich auf dem Album auch einige, die wohl als besonders „catchy“ (was ein Unwort, ich weiß…) beschrieben werden können, und dem selbstgewählten Vergleich mit frühen Nargaroth und Judas Iscariot tatsächlich gerecht werden. Als großes Manko hingegen kann man die Drums ansehen, die ein wenig so klingen als hätte der Österreicher sie auf seiner Mülltonne eingedroschen. Das gibt zwar besonders dem erhobenen Mittelfinger des Albums mit „Scenocide“ einen ganz netten Rotzrock Einschlag, wirkt aber auf die Länge des gesamten Albums einfach nur störend. Eben jener Titel sollte lieber nicht als Referenz für die angeblich so tiefsinnigen Texte herangezogen werden. Der Song fungiert als eine Art Abrechnung mit der Mjölnir tragenden Österreicher Szene – wobei direkt angemerkt werden muss, dass der Mann selbst dieses Symbol auf früheren Werken verwendet hat. Der Text des Liedes ist dabei leider so Flach, dass es wohl als sein persönliches „Black Metal ist Krieg“ gesehen werden kann. Irgendwie unpassend auf einer ansonsten sehr ernsten Scheibe, die eigentlich den Tod des weißen Hirsches zum Konzept hat.
Gesanglich scheint der Alleinunterhalter dabei die volle Bandbreite abdecken zu wollen – es finden sich (überwiegend) hohe Screams, tiefe Growls und sogar klar gesprochene Stellen wie etwa in „Befragung im Grab.“ Instrumental aber immer räudig, und oft so unperfekt dass es im ganzen schon wieder gut tönt – so zum Beispiel das gelegentliche Keyboard, das für mich eher nach einem alten C64 klingt, und sicher für den ein oder anderen als Grund herhält Obskene Sonare nun „Dark Metal“ zu taufen. Dieses taucht auch in der zweiten Hälfte des überlangen Titelstückes auf, welches außerdem mit vielen Samples aus dem Film Braveheart (u. a. Dudelsack, Regengeräusche) aufwartet.
Rumpelsound, griffige Riffs, Samples – das alles klingt für euch nicht sehr Innovativ? Ist es auch nicht – und gerade das macht den Charme und den gewissen „Spirit“ dieser Scheibe aus. Hier bekommt man bodenständigen Black Metal geboten, wie er eigentlich auf einem Tonband schon vor Ewigkeiten veröffentlicht sein könnte. Kauzig, in weiten Teilen von Nargaroth abgeguckt aber eben vielleicht auch deswegen so herausragend aus der Flut der Veröffentlichungen. Eigentlich schlittert das Album auch nur deshalb haarscharf an einer 9er Wertung vorbei, weil ich eben den stellenweise stark mangelhaften Sound so wie die an den Nerven zerrenden Drums berücksichtigen muss. Insgesamt aber das beste was ich bisher auf Talheim Records zu hören bekommen habe – egal wie zweifelhaft die Figur dahinter auch sein mag.
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Label: Talheim Records
Bandpage: http://www.facebook.com/ObskeneSonare
Veröffentlichungstermin: 26.11.2011
Trackliste:
- Als der Anblick des Mondes meine Erinnerungen weckte
- Unser Reich komme, unser Wille geschehe
- Befragung im Grab#
- Der beste Arzt
- Scenocide
- Duhom i Telom
- Deszendenz
- Wie ein erloschener Stern
- Der letzte weiße Hirsch
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